Sonntags wurde ich gegen sechs Uhr wach, da die Deutschen
lautstark die Wohnung betraten und Lärm machten. Ich konnte nicht mehr schlafen
und las deshalb mein FMA-Buch fertig. Ich hab keinen Plan, was ich daraus für
ein Arbeitsthema herleiten soll. Egal, vorerst verdrängen. Da es total schönes
Wetter war, ging ich nach dem Frühstück in die Stadt, wo ich bei Monoprix
zufälligerweise eine Kollegin traf. Sie war leider etwas krank, sowieso sind
hier alle irgendwie krank im Moment. Auch die Deutschen, die da waren, hatten
sich übelst erkältet. Danach ging ich zu McDonalds (in der Schweiz werde ich
nie mehr zu McDonalds gehen, ich kanns schon jetzt kaum mehr ertragen, diesen
Food zu essen) und dann an den Strand. Dort sonnte ich mich eine Weile, aber es
war viel zu heiss und hatte nirgends Schatten, worauf ich ein wenig spazieren
ging. Prompt quatschte mich ein Typ an. Er sprach undeutlich und ich musste
immer nachfragen, da ich keinen Plan hatte, was der so von sich gab. „Machst du
Fotos?“, wollte er wissen „Ja.“ (Das sieht man doch, du Pfeife.) Jedenfalls
laberte er mich voll und ich Idiotin hab ihn nicht schnell genug abhängen
können. Er wollte mit mir was unternehmen und was essen gehen, aber ich wollte
das natürlich nicht. Auf mein „Ich bin nicht interessiert“ ging er gar nicht
erst ein und war total beleidigt, als ich ihm dann deutlich zu verstehen gab,
dass ich nix von ihm wollte. Ugh, die Männerwelt ist echt eine komische
Spezies…
Ich beschloss dann spontan, nochmals nach Villefranche-sur-mer
zu fahren, weil ich den Strand dort so mag. Also fuhr ich kurz nachhause, um
meine Wasserflaschen aufzufüllen und etwas Kleines zu essen. Auf dem Weg dahin
lief ich an einem Kosmetikstudio vorbei und wurde wieder angequatscht. Eine
junge Frau – gut, die war bestimmt nur ein Jahr älter als ich – schmierte mir
eine Creme auf die Hand und laberte los, als gäbe es einen Preis für
Schnellsprecher zu gewinnen. Dann fragte sie mich, was ich denn so für
Pflegeprodukte brauche. Da sie so schnell und undeutlich sprach und ich noch
einen Kopfhörer drin hatte, verstand ich, „Wie alt sind Sie?“ und antwortete
mit „J’ai vingt ans.“ Einen kurzen Moment schaute sie mich verwirrt an,
wiederholte dann die Frage nochmals. Upsi, das war mir peinlich, aber ich schob
es auf den Kopfhörer. Sie lockte mich in den Laden, offenbar hatte sie immer
noch nicht gecheckt, dass ich keine Französin war, denn sie plauderte munter
weiter, während sie mir Meersalz und ein komisches Öl auf die Hände schmierte.
Ich verstand nur die Hälfte und war froh, als ich wieder abhauen konnte. Die
redete zweimal so schnell wie ich! Und bestimmt auch zweimal so undeutlich!
Als ich am Bahnhof ankam, verpasste ich den Zug nach Villefranche-sur-mer
um eine Minute. Genervt stellte ich fest, dass ich noch 40 Minuten warten
musste, bis der nächste TER kam. Ich kaufte mir eine ELLE und war mit dem
Entwerten des Zugbillets noch eine Weile beschäftigt – diese SNCF-Entwerter
sind mir echt zu komisch – oder ich bin einfach zu verpeilt dafür. Ich bin mir
nie sicher, ob mein Ticket auch wirklich entwertet wurde oder nicht. Ugh,
Franzosen, warum macht ihr alles so kompliziert? Und warum muss ich mein
Tramabo jedes Mal, wenn ich einsteige, entwerten? Warum?? Das ist nervig und
kostet Zeit und Platz im Tram. Ich hoffe, die Schweiz führt sowas nie ein. Um
15:41 war ich in Villefranche und suchte mir einen guten Platz am Strand.
Irgendwo entdeckte ich dann eine Familie mit Sonnenschirm. Dieser war so
platziert, dass man in der Nähe der Familie liegen konnte – nicht zu nahe zum
Glück – und trotzdem noch was vom Schatten abhaben konnte. Ich legte mich also
dorthin, als ich L&L sah. Was für ein Zufall! Ich hatte sie nämlich schon
freitags in Villefranche gesehen. L&L sind die beiden deutschen Mädels, die
ich an meinem ersten Schultag angequatscht hatte. Wir plauderten kurz, dann
waren wir alle wieder mit unseren Büchern und Zeitschriften beschäftigt. Gut,
dass sie da waren, denn so konnte ich mir einen Salade Niçoise holen, ohne
meine ganze Tasche mitnehmen zu müssen. Oh mann, ich war so satt danach, aber
es tat gut, mal wieder was Richtiges zu essen.
Jedenfalls lagen wir dann alle an der Sonne, aber es gab
etwas, das mich störte, oder besser gesagt: jemand, der mich störte. Ein Mann lag
schräg oberhalb von mir bzw. er lag fast neben L&L und er starrte mich die
ganze Zeit an. Als ob ich die einzige gewesen wäre, die am Strand so wenig
angehabt hatte! Ich warf ihm von Zeit zu Zeit einen bösen Blick zu, aber das
beeindruckte ihn nicht. Ich beschloss, ihn zu ignorieren, auch wenn ich jeden
seiner Blicke spürte. Irgendwann quatschte er mich an und fragte, ob ich
Touristin wäre.
„Yes“. Ich antwortete extra auf Englisch, damit er mich in Ruhe
liess. Tat er aber nicht. Stattdessen fragte er: „Vous venez d’où?“
„Switzerland.“
Ich starrte in meinen Reiseführer, aber er liess nicht locker.
„Suisse? …“
Dann wurde es mir zu blöd und ich fing auch an, Französisch zu
sprechen. Er wollte wissen, was ich hier mache, ob ich studiere, ob es mir
gefällt, wo in der Schweiz ich wohne (und nein, ich wohne nicht in Bern)… Ich
antwortete so einsilbig wie möglich, schaute ihn nicht an und blätterte immer
wieder in meinem Reiseführer, um Desinteresse zu zeigen, aber es half nicht. Er
erzählte, dass er eine Cousine in Vevey habe und sagte, die Schweiz würde ihm
gefallen.
„Gehen Sie nicht schwimmen?“
„Später vielleicht“, meinte ich.
„Aber
später ist das Wasser kalt – ah, Sie sind ja Schweizerin, für Sie ist es
bestimmt nie kalt hier.“ „Haha genau“, meinte ich mit einem Fake-Lachen und
beschloss, wirklich schwimmen zu gehen, um nicht mehr mit ihm reden zu müssen. Weil
ich nicht seine persönliche Pamela Anderson sein wollte, zog ich mein Oberteil
wieder an, konnte allerdings nicht verhindern, dass er mich die ganze Zeit
anstarrte. Alter, man merkt auch, dass du mich anstarrst, wenn du eine
Sonnenbrille trägst!!! Das Wasser war kühl, darum blieb ich auch nur kurz
drinnen. Als ich an meinen Platz zurückkam, behielt ich das Oberteil vorerst an
– zum Leidwesen von Monsieur Spanner (der übrigens vom Alter her theoretisch
mein Vater oder Onkel hätte sein können. Igitt). Er wollte dann mal meinen
Reiseführer sehen und war verblüfft, dass dieser „en allemand“ war. Ich glaub,
ich hab bei meinen einsilbigen Antworten vergessen, klarzumachen, dass ich
Deutsch spreche. Naja, irgendwann fingen L&L an, mit mir zu reden und den Spanner
vergass ich. Der fand es ziemlich toll, neben drei halbnackten, jungen Frauen
zu sitzen, aber wir ignorierten ihn. Die Sonnenschirmfamilie ging dann leider
auch irgendwann und ich glaub, mein Rücken hätte ein bisschen mehr Sonnencreme
vertragen können. Dasselbe für meine Fusssohlen. Irgendwann ging der Spanner
und als er weg war, lachten wir alle drei sofort los. „Oh mann, wie der die
ganze Zeit geguckt hat! Und er hat wohl gedacht, das merkt man nicht!“, meinten
L&L und wir lachten uns schlapp. Dann quatschten wir noch etwas über
Frankreich, meine GM, Deutschland, die Schweiz und Klischees über Schweizer,
z.B., dass der Durchschnittsschweizer geizig ist.
Apropos geizig: Offenbar war
ich auch etwas geizig mit der Sonnencreme, denn die Partie vom Hals und ein
Teil meines Dekolletees sind rot. Ups, dabei dachte ich, dass dieser Teil gar
nicht so stark an der Sonne war. Vielleicht ist das auch bei meinem
Mittagsspaziergang passiert. Jedenfalls passt mir das nicht so in den Kram, ich
will ja braun werden und so kann ich das erstmal vergessen. Eine Creme habe ich
auch nicht mit, ugh. Kurz nachdem L&L gingen, verzog ich mich auch und
wurde am Bahnhof von Touristen angesprochen, die so froh waren, dass endlich
mal jemand Englisch sprach und ihnen den Zugfahrplan erklären konnte. Übrigens
hab ich total viele Mückenstiche, das sieht total komisch aus, weil die meisten
auch noch aufgeschwollen sind. Jaja, Sonnenbrand und Mückenstiche, das passt super.
Alles rot.
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