Montag, 21. September 2015

„J’ai vingt ans!“ oder: Der Sonntag, an dem mich alle anquatschten

Sonntags wurde ich gegen sechs Uhr wach, da die Deutschen lautstark die Wohnung betraten und Lärm machten. Ich konnte nicht mehr schlafen und las deshalb mein FMA-Buch fertig. Ich hab keinen Plan, was ich daraus für ein Arbeitsthema herleiten soll. Egal, vorerst verdrängen. Da es total schönes Wetter war, ging ich nach dem Frühstück in die Stadt, wo ich bei Monoprix zufälligerweise eine Kollegin traf. Sie war leider etwas krank, sowieso sind hier alle irgendwie krank im Moment. Auch die Deutschen, die da waren, hatten sich übelst erkältet. Danach ging ich zu McDonalds (in der Schweiz werde ich nie mehr zu McDonalds gehen, ich kanns schon jetzt kaum mehr ertragen, diesen Food zu essen) und dann an den Strand. Dort sonnte ich mich eine Weile, aber es war viel zu heiss und hatte nirgends Schatten, worauf ich ein wenig spazieren ging. Prompt quatschte mich ein Typ an. Er sprach undeutlich und ich musste immer nachfragen, da ich keinen Plan hatte, was der so von sich gab. „Machst du Fotos?“, wollte er wissen „Ja.“ (Das sieht man doch, du Pfeife.) Jedenfalls laberte er mich voll und ich Idiotin hab ihn nicht schnell genug abhängen können. Er wollte mit mir was unternehmen und was essen gehen, aber ich wollte das natürlich nicht. Auf mein „Ich bin nicht interessiert“ ging er gar nicht erst ein und war total beleidigt, als ich ihm dann deutlich zu verstehen gab, dass ich nix von ihm wollte. Ugh, die Männerwelt ist echt eine komische Spezies…

Ich beschloss dann spontan, nochmals nach Villefranche-sur-mer zu fahren, weil ich den Strand dort so mag. Also fuhr ich kurz nachhause, um meine Wasserflaschen aufzufüllen und etwas Kleines zu essen. Auf dem Weg dahin lief ich an einem Kosmetikstudio vorbei und wurde wieder angequatscht. Eine junge Frau – gut, die war bestimmt nur ein Jahr älter als ich – schmierte mir eine Creme auf die Hand und laberte los, als gäbe es einen Preis für Schnellsprecher zu gewinnen. Dann fragte sie mich, was ich denn so für Pflegeprodukte brauche. Da sie so schnell und undeutlich sprach und ich noch einen Kopfhörer drin hatte, verstand ich, „Wie alt sind Sie?“ und antwortete mit „J’ai vingt ans.“ Einen kurzen Moment schaute sie mich verwirrt an, wiederholte dann die Frage nochmals. Upsi, das war mir peinlich, aber ich schob es auf den Kopfhörer. Sie lockte mich in den Laden, offenbar hatte sie immer noch nicht gecheckt, dass ich keine Französin war, denn sie plauderte munter weiter, während sie mir Meersalz und ein komisches Öl auf die Hände schmierte. Ich verstand nur die Hälfte und war froh, als ich wieder abhauen konnte. Die redete zweimal so schnell wie ich! Und bestimmt auch zweimal so undeutlich!

Als ich am Bahnhof ankam, verpasste ich den Zug nach Villefranche-sur-mer um eine Minute. Genervt stellte ich fest, dass ich noch 40 Minuten warten musste, bis der nächste TER kam. Ich kaufte mir eine ELLE und war mit dem Entwerten des Zugbillets noch eine Weile beschäftigt – diese SNCF-Entwerter sind mir echt zu komisch – oder ich bin einfach zu verpeilt dafür. Ich bin mir nie sicher, ob mein Ticket auch wirklich entwertet wurde oder nicht. Ugh, Franzosen, warum macht ihr alles so kompliziert? Und warum muss ich mein Tramabo jedes Mal, wenn ich einsteige, entwerten? Warum?? Das ist nervig und kostet Zeit und Platz im Tram. Ich hoffe, die Schweiz führt sowas nie ein. Um 15:41 war ich in Villefranche und suchte mir einen guten Platz am Strand. Irgendwo entdeckte ich dann eine Familie mit Sonnenschirm. Dieser war so platziert, dass man in der Nähe der Familie liegen konnte – nicht zu nahe zum Glück – und trotzdem noch was vom Schatten abhaben konnte. Ich legte mich also dorthin, als ich L&L sah. Was für ein Zufall! Ich hatte sie nämlich schon freitags in Villefranche gesehen. L&L sind die beiden deutschen Mädels, die ich an meinem ersten Schultag angequatscht hatte. Wir plauderten kurz, dann waren wir alle wieder mit unseren Büchern und Zeitschriften beschäftigt. Gut, dass sie da waren, denn so konnte ich mir einen Salade Niçoise holen, ohne meine ganze Tasche mitnehmen zu müssen. Oh mann, ich war so satt danach, aber es tat gut, mal wieder was Richtiges zu essen.


Jedenfalls lagen wir dann alle an der Sonne, aber es gab etwas, das mich störte, oder besser gesagt: jemand, der mich störte. Ein Mann lag schräg oberhalb von mir bzw. er lag fast neben L&L und er starrte mich die ganze Zeit an. Als ob ich die einzige gewesen wäre, die am Strand so wenig angehabt hatte! Ich warf ihm von Zeit zu Zeit einen bösen Blick zu, aber das beeindruckte ihn nicht. Ich beschloss, ihn zu ignorieren, auch wenn ich jeden seiner Blicke spürte. Irgendwann quatschte er mich an und fragte, ob ich Touristin wäre. 
„Yes“. Ich antwortete extra auf Englisch, damit er mich in Ruhe liess. Tat er aber nicht. Stattdessen fragte er: „Vous venez d’où?“ 
„Switzerland.“ 
Ich starrte in meinen Reiseführer, aber er liess nicht locker. 
„Suisse? …“ 
Dann wurde es mir zu blöd und ich fing auch an, Französisch zu sprechen. Er wollte wissen, was ich hier mache, ob ich studiere, ob es mir gefällt, wo in der Schweiz ich wohne (und nein, ich wohne nicht in Bern)… Ich antwortete so einsilbig wie möglich, schaute ihn nicht an und blätterte immer wieder in meinem Reiseführer, um Desinteresse zu zeigen, aber es half nicht. Er erzählte, dass er eine Cousine in Vevey habe und sagte, die Schweiz würde ihm gefallen.
 „Gehen Sie nicht schwimmen?“ 
„Später vielleicht“, meinte ich. 
„Aber später ist das Wasser kalt – ah, Sie sind ja Schweizerin, für Sie ist es bestimmt nie kalt hier.“ „Haha genau“, meinte ich mit einem Fake-Lachen und beschloss, wirklich schwimmen zu gehen, um nicht mehr mit ihm reden zu müssen. Weil ich nicht seine persönliche Pamela Anderson sein wollte, zog ich mein Oberteil wieder an, konnte allerdings nicht verhindern, dass er mich die ganze Zeit anstarrte. Alter, man merkt auch, dass du mich anstarrst, wenn du eine Sonnenbrille trägst!!! Das Wasser war kühl, darum blieb ich auch nur kurz drinnen. Als ich an meinen Platz zurückkam, behielt ich das Oberteil vorerst an – zum Leidwesen von Monsieur Spanner (der übrigens vom Alter her theoretisch mein Vater oder Onkel hätte sein können. Igitt). Er wollte dann mal meinen Reiseführer sehen und war verblüfft, dass dieser „en allemand“ war. Ich glaub, ich hab bei meinen einsilbigen Antworten vergessen, klarzumachen, dass ich Deutsch spreche. Naja, irgendwann fingen L&L an, mit mir zu reden und den Spanner vergass ich. Der fand es ziemlich toll, neben drei halbnackten, jungen Frauen zu sitzen, aber wir ignorierten ihn. Die Sonnenschirmfamilie ging dann leider auch irgendwann und ich glaub, mein Rücken hätte ein bisschen mehr Sonnencreme vertragen können. Dasselbe für meine Fusssohlen. Irgendwann ging der Spanner und als er weg war, lachten wir alle drei sofort los. „Oh mann, wie der die ganze Zeit geguckt hat! Und er hat wohl gedacht, das merkt man nicht!“, meinten L&L und wir lachten uns schlapp. Dann quatschten wir noch etwas über Frankreich, meine GM, Deutschland, die Schweiz und Klischees über Schweizer, z.B., dass der Durchschnittsschweizer geizig ist. 
Apropos geizig: Offenbar war ich auch etwas geizig mit der Sonnencreme, denn die Partie vom Hals und ein Teil meines Dekolletees sind rot. Ups, dabei dachte ich, dass dieser Teil gar nicht so stark an der Sonne war. Vielleicht ist das auch bei meinem Mittagsspaziergang passiert. Jedenfalls passt mir das nicht so in den Kram, ich will ja braun werden und so kann ich das erstmal vergessen. Eine Creme habe ich auch nicht mit, ugh. Kurz nachdem L&L gingen, verzog ich mich auch und wurde am Bahnhof von Touristen angesprochen, die so froh waren, dass endlich mal jemand Englisch sprach und ihnen den Zugfahrplan erklären konnte. Übrigens hab ich total viele Mückenstiche, das sieht total komisch aus, weil die meisten auch noch aufgeschwollen sind. Jaja, Sonnenbrand und Mückenstiche, das passt super. Alles rot.

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