Da das Weekend meiner zweiten Schulwoche gar nicht toll lief
und mir die GM so richtig auf die Nerven ging, wollte ich am Montag nochmals
beim Sekretariat vorbeischauen und mich beschweren. In der Nacht von Sonntag
auf Montag hat meine GM nämlich Wäsche gewaschen – und jetzt ratet mal, wo die
Waschmaschine steht: Ja genau, in meinem Zimmer! Und die hat natürlich keinen
Lärm gemacht, nein, nein, kein Problem. (Achtung Ironie!) Jedenfalls traf ich
mich am Montagmorgen mit meiner Kollegin und wir holten uns zwei Portionen Socca
im Vieux Nice. Das war sooo gut, aber auch verdammt salzig und wir tranken
danach einen halben Ozean, weil wir unseren Durst einfach nicht stillen
konnten. Als wir gegen halb eins in der Schule ankamen, machte ich mich auf den
Weg ins Sekretariat. Ich wollte der Deutschen, die sich mit meinem Fall befasst
hatte, noch einiges erzählen. Allerdings leitete diese mich gleich weiter an
die Frau, die normalerweise für solche Fälle verantwortlich ist und die letzten
zwei Wochen im Urlaub war. Da ich nicht immer „diese Frau vom Sekretariat“
schreiben will, ihren echten Namen aber auch nicht verraten möchte, nenne ich
sie „Püppi“.
Püppi bat mich also herein und ich nahm Platz. „Du hast also
Probleme mit Frau …? Was ist denn los?“
Ich musste ihr auf Französisch nochmals
all das erklären, das ich auch schon der Deutschen erklärt hatte. Ich kriege
nicht genügend Essen, das Wlan funktioniert nie, ich musste in der ersten Nacht
in der Küche schlafen, etc. … Püppi schien aber mehr auf der Seite meiner GM zu
sein, da sie sie auch kannte und nett fand.
„Bisher hatte noch nie jemand
Probleme mit ihr“, meinte sie und der Tonfall ihrer Stimme klang nicht gerade
freundlich. „Die Leute sind jeweils auch länger bei ihr geblieben und niemand
musste sich beschweren.“ Ja, und? Ist das mein Problem??? Als das Thema
nochmals aufs Essen kam, meinte Püppi, dass man für jemanden, der eine Gluten-
und Laktoseunverträglichkeit hat, nur schwer eine Familie finden kann.
„Bist du
denn überhaupt allergisch oder ist das nur dein Lifestyle?“, wollte sie dann
wissen. Ich dachte, ich hätte mich verhört! Dann meinte sie, dass gluten- und
laktosefreies Essen viel zu teuer (komm mal in die Schweiz, meine Gute) und
viel zu kompliziert zum Kochen (nur weil sie selber nicht so isst??? Soll sie
doch froh sein, mein Gott) sei. Ja wow, hab ich mir ausgesucht, diese Produkte
nicht vertragen zu können?
„Weisst du“, meinte Püppi dann, „Leute wie dich
wollen die Gastfamilien nicht!“ Leute wie mich? Ich kochte innerlich vor Wut.
Hab ich mir denn diese Unverträglichkeiten ausgesucht? Darf ich deswegen keinen
Sprachaufenthalt machen? Als ich ihr dann sagte, dass die GM in meinem Sachen
wühlt, meinte sie nur, dass das eine schwere Anschuldigung sei, dass ich
vorsichtig sein müsse mit dem und dass ich ohne Beweise eh nicht weit kommen
werde. Weil ich damit nicht weiterkam, erzählte ich ihr Dinge, für die ich
wirklich handfeste Beweise hatte, aber Püppi spielte alles runter, fiel mir
stets ins Wort und als ich ihr dann sagte, dass die GM jeden Tag in meinem
Abfalleimer rumwühlt und alles kommentiert, was ich wegwerfe, meinte sie nur,
dann solle ich keine Essensreste wegwerfen.
„Aber ich werfe gar keine
Essensreste weg!“ Ich war langsam echt verzweifelt. Sie sagte mir, dass sie
meine GM anrufen und ihr alles erzählen werde.
„Bitte nicht“, bat ich. „Bitte
warte noch, bis wir eine Familie für mich gefunden haben! Ich will nicht, dass
ich meine GM unnötig verärgere.“ Doch Püppi kannte kein Pardon und ich verliess
ihr Büro. Draussen fing ich dann an zu heulen, weil ich mit den Nerven am Ende
war. Ich kam mir vor wie bei einer Gerichtsverhandlung. Ständig musste ich mich
verteidigen, niemand glaubte mir und ich war ganz allein. Die Lehrerin, die mir
sonst immer Ratschläge gegeben hat, war auch im Urlaub. Meine Kollegin meinte
dann, ich solle die Notfallnummer meiner Organisation anrufen. Ich rief aber
zuerst alle meine Familienmitglieder an und es dauerte eine Ewigkeit, bis
jemand endlich mal ranging.
Völlig k.o. setzte
ich mich ins Schulzimmer, gar nicht ready für drei volle Stunden
Nachmittagsunterricht. In der Pause klagte ich dann meinen Mitschülern mein
Leid und dann hatte ich echt verdammtes Glück: Die Polin aus meiner Klasse
meinte, ich könne zu ihrer Gastfamilie gehen, da sie selber am Samstag in ein
Apartment ziehen würde. „Aber ich esse gluten- und laktosefrei“, meinte ich
nur, worauf die Polin meinte: „Meine GM isst auch glutenfrei! Sie ist total
nett, redet gerne und hat eine Katze. Sie wohnt leider total ausserhalb des
Zentrums und du musst sehr lang Tram fahren, aber versuchs doch bei ihr!“
Überglücklich liess ich mir den Namen der Frau geben und ging um 17:00 wieder
in Püppis Büro. Ich drückte ihr den Zettel mit dem Namen in die Hand, worauf
sie nur meinte: „Ach, dieser Frau habe ich gerade heute Morgen eine andere
Schülerin zugeteilt.“ Ich war enttäuscht, aber dann wollte Püppi, dass ich mich
setzte und rief bei dieser Frau an. Resultat: Samstags kann ich bei ihr
einziehen! Am Telefon nannte mich Püppi ständig „une Suisseuse qui est très mignonne“
(jaja, Püppi, davon hab ich am Mittag aber nix gemerkt!) und zwinkerte und
lächelte mir ständig zu, aber das beeindruckte mich nicht mehr. Abschliessend
sagte Püppi, dass sie mir in den folgenden Tagen mehr Infos geben werde und
dass meine jetztige GM froh wäre, dass ich gehen will. Das hat mich schon total
verwirrt, aber ich kann mir denken, wieso und muss sagen, dass es echt nur
besser werden kann und ich null Bock mehr habe, bei meiner jetztigen GM zu
bleiben. Die Frau ist echt nicht normal und ich übertreibe gar nicht!!
Als ich nach der Schule bei meiner GM ankam, war diese noch
nicht dort und ich war froh darüber, hatte aber auch Angst vor der
Konfrontation. Schlussendlich war es nicht so schlimm, sie ist mir nicht böse,
aber mir tuts irgendwie schon leid. Ich wollte ja auch nicht, dass es so weit
kommt, für mich ist es auch nicht lustig und ich fühle mich erleichtert, aber
trotzdem irgendwie alleine und verlassen. Naja, wird schon besser werden.
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