Montag, 21. September 2015

Da das Weekend meiner zweiten Schulwoche gar nicht toll lief und mir die GM so richtig auf die Nerven ging, wollte ich am Montag nochmals beim Sekretariat vorbeischauen und mich beschweren. In der Nacht von Sonntag auf Montag hat meine GM nämlich Wäsche gewaschen – und jetzt ratet mal, wo die Waschmaschine steht: Ja genau, in meinem Zimmer! Und die hat natürlich keinen Lärm gemacht, nein, nein, kein Problem. (Achtung Ironie!) Jedenfalls traf ich mich am Montagmorgen mit meiner Kollegin und wir holten uns zwei Portionen Socca im Vieux Nice. Das war sooo gut, aber auch verdammt salzig und wir tranken danach einen halben Ozean, weil wir unseren Durst einfach nicht stillen konnten. Als wir gegen halb eins in der Schule ankamen, machte ich mich auf den Weg ins Sekretariat. Ich wollte der Deutschen, die sich mit meinem Fall befasst hatte, noch einiges erzählen. Allerdings leitete diese mich gleich weiter an die Frau, die normalerweise für solche Fälle verantwortlich ist und die letzten zwei Wochen im Urlaub war. Da ich nicht immer „diese Frau vom Sekretariat“ schreiben will, ihren echten Namen aber auch nicht verraten möchte, nenne ich sie „Püppi“.

Püppi bat mich also herein und ich nahm Platz. „Du hast also Probleme mit Frau …? Was ist denn los?“ 
Ich musste ihr auf Französisch nochmals all das erklären, das ich auch schon der Deutschen erklärt hatte. Ich kriege nicht genügend Essen, das Wlan funktioniert nie, ich musste in der ersten Nacht in der Küche schlafen, etc. … Püppi schien aber mehr auf der Seite meiner GM zu sein, da sie sie auch kannte und nett fand. 
„Bisher hatte noch nie jemand Probleme mit ihr“, meinte sie und der Tonfall ihrer Stimme klang nicht gerade freundlich. „Die Leute sind jeweils auch länger bei ihr geblieben und niemand musste sich beschweren.“ Ja, und? Ist das mein Problem??? Als das Thema nochmals aufs Essen kam, meinte Püppi, dass man für jemanden, der eine Gluten- und Laktoseunverträglichkeit hat, nur schwer eine Familie finden kann. 
„Bist du denn überhaupt allergisch oder ist das nur dein Lifestyle?“, wollte sie dann wissen. Ich dachte, ich hätte mich verhört! Dann meinte sie, dass gluten- und laktosefreies Essen viel zu teuer (komm mal in die Schweiz, meine Gute) und viel zu kompliziert zum Kochen (nur weil sie selber nicht so isst??? Soll sie doch froh sein, mein Gott) sei. Ja wow, hab ich mir ausgesucht, diese Produkte nicht vertragen zu können? 
„Weisst du“, meinte Püppi dann, „Leute wie dich wollen die Gastfamilien nicht!“ Leute wie mich? Ich kochte innerlich vor Wut. Hab ich mir denn diese Unverträglichkeiten ausgesucht? Darf ich deswegen keinen Sprachaufenthalt machen? Als ich ihr dann sagte, dass die GM in meinem Sachen wühlt, meinte sie nur, dass das eine schwere Anschuldigung sei, dass ich vorsichtig sein müsse mit dem und dass ich ohne Beweise eh nicht weit kommen werde. Weil ich damit nicht weiterkam, erzählte ich ihr Dinge, für die ich wirklich handfeste Beweise hatte, aber Püppi spielte alles runter, fiel mir stets ins Wort und als ich ihr dann sagte, dass die GM jeden Tag in meinem Abfalleimer rumwühlt und alles kommentiert, was ich wegwerfe, meinte sie nur, dann solle ich keine Essensreste wegwerfen. 
„Aber ich werfe gar keine Essensreste weg!“ Ich war langsam echt verzweifelt. Sie sagte mir, dass sie meine GM anrufen und ihr alles erzählen werde.
 „Bitte nicht“, bat ich. „Bitte warte noch, bis wir eine Familie für mich gefunden haben! Ich will nicht, dass ich meine GM unnötig verärgere.“ Doch Püppi kannte kein Pardon und ich verliess ihr Büro. Draussen fing ich dann an zu heulen, weil ich mit den Nerven am Ende war. Ich kam mir vor wie bei einer Gerichtsverhandlung. Ständig musste ich mich verteidigen, niemand glaubte mir und ich war ganz allein. Die Lehrerin, die mir sonst immer Ratschläge gegeben hat, war auch im Urlaub. Meine Kollegin meinte dann, ich solle die Notfallnummer meiner Organisation anrufen. Ich rief aber zuerst alle meine Familienmitglieder an und es dauerte eine Ewigkeit, bis jemand endlich mal ranging.

Völlig k.o.  setzte ich mich ins Schulzimmer, gar nicht ready für drei volle Stunden Nachmittagsunterricht. In der Pause klagte ich dann meinen Mitschülern mein Leid und dann hatte ich echt verdammtes Glück: Die Polin aus meiner Klasse meinte, ich könne zu ihrer Gastfamilie gehen, da sie selber am Samstag in ein Apartment ziehen würde. „Aber ich esse gluten- und laktosefrei“, meinte ich nur, worauf die Polin meinte: „Meine GM isst auch glutenfrei! Sie ist total nett, redet gerne und hat eine Katze. Sie wohnt leider total ausserhalb des Zentrums und du musst sehr lang Tram fahren, aber versuchs doch bei ihr!“ Überglücklich liess ich mir den Namen der Frau geben und ging um 17:00 wieder in Püppis Büro. Ich drückte ihr den Zettel mit dem Namen in die Hand, worauf sie nur meinte: „Ach, dieser Frau habe ich gerade heute Morgen eine andere Schülerin zugeteilt.“ Ich war enttäuscht, aber dann wollte Püppi, dass ich mich setzte und rief bei dieser Frau an. Resultat: Samstags kann ich bei ihr einziehen! Am Telefon nannte mich Püppi ständig „une Suisseuse qui est très mignonne“ (jaja, Püppi, davon hab ich am Mittag aber nix gemerkt!) und zwinkerte und lächelte mir ständig zu, aber das beeindruckte mich nicht mehr. Abschliessend sagte Püppi, dass sie mir in den folgenden Tagen mehr Infos geben werde und dass meine jetztige GM froh wäre, dass ich gehen will. Das hat mich schon total verwirrt, aber ich kann mir denken, wieso und muss sagen, dass es echt nur besser werden kann und ich null Bock mehr habe, bei meiner jetztigen GM zu bleiben. Die Frau ist echt nicht normal und ich übertreibe gar nicht!!


Als ich nach der Schule bei meiner GM ankam, war diese noch nicht dort und ich war froh darüber, hatte aber auch Angst vor der Konfrontation. Schlussendlich war es nicht so schlimm, sie ist mir nicht böse, aber mir tuts irgendwie schon leid. Ich wollte ja auch nicht, dass es so weit kommt, für mich ist es auch nicht lustig und ich fühle mich erleichtert, aber trotzdem irgendwie alleine und verlassen. Naja, wird schon besser werden.

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